Vo d'r Alb ra

Der Texter des Mössingerlieds über ein paar Kleinigkeiten
sowie eine wirklich wichtige Angelegenheit

Nun haben wir’s also gesungen, das Liedlein, das verschiedentlich zur neuen Mössinger Hymne gehypt wurde (gibt es auch eine alte?). Von manchen Zuhörern, aber auch aus der Presse kamen Fragen zur Bedeutung bestimmter Textstellen, die es nahelegen, nochmal ein paar Worte zur Entstehung zu schreiben:

Ursprünglich im nimmer enden-wollenden 3/4 – Takt gedacht, musste der Text an den poppigen 4/4 – Takt der Komposition angepasst werden. Wegen des nötigen Jonglierens mit dem Versmaß oder der Verschiebung von Betonungen werden hierbei Worte oder ganze Phrasen ergänzt, ersetzt oder auch gestrichen. Kompositorisch hat sich das gelohnt, das Lied hat Ohrwurm-Charakter. Bei einer derartigen Transformation kann es jedoch geschehen, dass sich manch nicht allzu plastisches Bild noch weiter abschwächt (was dem, der das ursprüngliche Bild im Kopf hat, gar nicht auffällt). 

So dürfte der schon in der ursprünglichen Fassung nicht allzu deutliche Bezug zum Öschinger Holzschnitt-Museum weitestgehend verloren gegangen sein, wogegen die Würdigung des Talheimer Vogelschutzzentrums  sowie des Farrenberg-Flugplatzes scheinbar noch immer wahrgenommen werden, wenn auch erst nach ein paar Viertelnoten der Reflexion.

Für die Leser des Reutlinger Generalanzeigers, der diese Frage explizit aufgeworfen hat, sei hier der Goldene Engel erläutert und gezeigt: Es handelt es sich um eine ehemalige Gastwirtschaft in einem denkmalgeschützten Haus aus dem 17 Jahrhundert.

Und dieses Haus steht nur wenige Meter entfernt von der Bühne, auf der das Mössingerlied gesungen wurde, und damit ganz nah bei der neuen Mössinger Mitte.

Dennoch scheint es für dieses Gebäude keine Rettung zu geben. Oder doch? Hat der Wechsel der Tür auch symbolischen Charakter?

Ein neuer Ausweg?

(Engelbilder von Christof Zanke, Klick zum Vergrößern)

Aber all das sind Kinkerlitzchen. Richtig schwierig wird’s erst beim Refrain:

Liebe Bewohner der Schwäbischen Alb...

Mit Auftakt auf ‚No‘ und Betonung des ersten von drei Walzerschlägen auf dem ’ned‘, hatten wir ursprünglich ein

No ned vo d’r Alb ra

Hieraus wurde im 4/4-Takt ein auf dem ersten Schlag betontes

No ned vo d’r Alb ra

Damit ergab sich eine ungewollte Bedeutungsverschiebung

von einem wohlwollend neutralen Noch nicht von der Alb…

zu einem abschätzigen Bloß nicht von der Alb…

Derartiges realisiert man erst, wenn es gesungen wird. Als Mitglied des Liederkranz Belsen gehörte der Texter nicht zu den ersten, die mit dem Notenblatt in der Hand sangen. Das mit der Zeitverschiebung habe wir ja bereits erklärt. Und als es dann soweit war, da war schon nichts mehr zu machen.

Liebe Bewohner der Schwäbischen Alb, seid versichert:

Die Geschichte Mössingens als Standort der Textilindustrie mit Weltruhm (auch das haben wir besungen) ist ohne die naturräumliche Nachbarschaft zur Schwäbischen Alb nicht denkbar, und dies ist uns Mössingern bewusst.

Und haben wir nicht auch den Farrenbergflugplatz besungen, der geologisch zur Albhochfläche gehört?

Und reden wir doch mal von einer unserer größten touristischen Attraktionen:

(Bergrutschbilder von Ralf Dettling, Klick zum Vergrößern)

Habt Ihr nicht – gleich einem barmherzigen Akt der Entwicklungshilfe – vor stark 40 Jahren brüderlich den Hirschkopf mit uns geteilt und dann als Zeichen Eurer Wertschätzung bei Nacht und Nebel  in unseren Hinterhof gekippt?

Und waren wir daraufhin nicht fassungslos vor Glück?

All das werden wir doch sicher nicht wegen einer musikalischen Synkope drangeben!

Als Beweis unserer Aufrichtigkeit zeigen wir ausnahmsweise einen Auszug aus der Originalversion des Refrains:

Wo mittlerweile gesungen wird: mit baar g’stand’ne Leidla, baar Uni-g’scheidla…

hieß es ursprünglich (und wieder im 3/4-Takt) von oben das Blaue, von unten das Schlaue…

Der kleine Reim fand in die Endfassung keinen Eingang  weil er uns zu abstrakt erschien.

Aber von oben das Blaue,

das ist natürlich der Himmel, dem ihr soviel näher seid als wir, und der insbesondere als Hintergrund für eure Weißjurafelsen besonders pittoresk wirkt (Bild: Peter Wolf).

Von oben das Blaue,

das ist aber auch die blaue Mauer, mit der Eure Alb gerne verglichen wird, wenn man sie aus der Ferne erblickt (Bild: Andreas Glöckner, bearbeitet).

Liebe Bewohner der Schwäbischen Alb, eins noch zum Schluß:

Bislang hat mich noch kein ‚Älbler‘ auf diesen faux-pas angesprochen. Es waren immer Mössinger. Ich sehe hierfür zwei Gründe (Mehrfachnennung möglich):

Entweder habt ihr es noch gar nicht mitgekriegt, weil Euch die Mössinger 1250-Jahr-Feier nicht die Bohne interessiert (es soll tatsächlich Mössinger geben, die das genauso handhaben).

Oder aber es liegt an folgendem: Als wir das Liedlein in der Kernstadt sangen, befanden wir uns etwa 480 Meter über dem Meeresspiegel. Melchingen beispielweise liegt aber schon auf 730 m ü. NN, also 250 Meter höher.

Ich glaube:

Ihr steht da einfach drüber!

Christof Zanke